====== Staupe ====== ===== Ursache ===== **Erreger** * Canines Staupe Virus (Canine Distemper Virus) * Morbillivirus (Paramyxoviridae) * RNA-Virus: sehr sensibel auf Umwelteinflüsse * eng verwandt zu Masern- und Rinderpestvirus (ausgerottet) ==== Übertragung ==== * generell über oronasale Sekrete - Aerosole * Ausscheidung über jedes Sekret und Exkret möglich ==== Krankheitsverlauf ==== - Infektion: IKZ: 3-7 Tage - Vermehrung im lymphatischen Gewebe führt zu Immunsuppression - Virämie nach 8-9 Tagen - weiterer Verlauf je nach Immunstatus (Impfstatus, Stress, Virulenz des Stammes, Alter, Sekundärinfektionen, …) - Katarrhalische Form: RT & GIT - Nervöse Form: sterile Meningoenzephalomyelitis und Neuritis - Akute systemische Form: katharrahlischer + nervöser Form - Chronisch nervöse Form ===== Epidemiologie ===== ==== Empfänglichkeit ==== * Hunde, Robben, Füchse, Marderartige (Frettchen, …), Bären, Großkatzen, Dachs ==== Prädisposition ==== * Alter: besonders Welpen von 3-6 Mo (maternale AK nehmen ab – keine Impfung) * Immunsuppression, keine Impfung, kein Kolostrum * selten auch geimpfte Hunde * Importe aus Osteuropa ===== Symptome ===== **1. Phase: Infektion & Virämie** * subklinischer Verlauf möglich (ca. 50%) * Erster Fieberschub * Mattigkeit, Anorexie **2. Phase: Organbesiedelung (ab ca. 10 Tage p.i.)** * RT * Konjunktivitis, Augenausfluss und Rhinitis (serös bis mukopurulent) * interstitielle Pneumonie und nekrotisierende Bronchiolitis → trockener Husten * Bronchopneumonie durch Sekundärinfekte → produktiver Husten * GIT * Erbrechen * Durchfall durch katharralische Enteritis * Dehydratation * pustuläre Dermatitis (Staupedermatitis) * Rötung, Vesikeln bis Pusteln **neurologische Symptome (ab ca. 20 bis 50 Tage p.i.)** * demyelinisierende Leukoenzephalitis (wie MS) → hpts. Cerebellum betroffen - seltener Cerebrum und RM * ZNS-Symptome durch Viruspersistenz * bei 2/3 der Hunde geht vor ZNS-Symptomen eine GIT-, RT-Symptomatik voraus * ZNS-Symptome je nach befallener Region * Großhirn: Anfälle, Bewusstseinsänderungen, fehlender Drohreflex * Kleinhirn: Ataxie mit Hypermetrie, Tremor * Vestibulär: Nystagmus, Kopfschiefhaltung * Hirnstamm: Kopfnervenausfälle, Bewusstseinstörungen, Myoklonien (40% der Hd) * Rückenmark: Para- oder Tetraparese, Hyperästhesie * PNS selten betroffen **Spezielle Manifestationen** * Old-dog Encephalitis * chron. prog. Enzephalomyelitis bei älteren Hunden * Verlauf meist akut und progressiv: meist Tod 2-4 Wochen nach Infektion * Auge * Keratitis, Uveitis mit Retinaödem * Chorioretinitis (ca. bei 40% der Hd mit ZNS-Symtomen) * Optikusneuritis mit Blindheit * KCS u. Narben auf Retina bei chron. Infizierten * Staupegebiss * Schmelzhypoplasie der bleibenden Zähne * Bei Infekt vor Zahnwechsel * Hard-Pad-Disease * Hyperkeratose Nase und Pfotenballen * Selten, nach überstandener Infektion (ab 2. Wo p.i. möglich) * Transplazentäre Infektion * Abort * ZNS-Symptome bei Welpen ===== Diagnose ===== * Blutbild * Lymphopenie zu 70-90 % * Evtl auch Leukopenie, Leukozytose, Monozytose * Selten Anämie, Thrombozytopenie * Bildgebung * RT-Symptome * Röntgen: interstitielle und / oder alveoläre Lungenzeichnung * ZNS-Symptome * MRT: sehr variable Befunde * Zytologie * Intrazytoplasmatische Einschlusskörperchen in den Makrophagen * Am besten nachweisbar in lymphatischen Gewebe: Tonsillen, Lymphknoten und Liquor bei neurologischen Symptomen. * In Blut nur temporär (2-9 Tage) in Erythrozyten und Leukozyten. * Evtl. auch in Lunge, Blase, Milz, Magen, Haut und Gehirn nachweisbar. * Kein Virus in den Pusteln nachweisbar. * Liquorzytologie * akute Form: normale Zellzahl (selten leichte Pleozytose) und Proteingehalt * chronischen Form: TP ↑, meist reine mononukleäre Pleozytose * Immunfluoreszenz * Abstriche aus Konjunktiva, Vaginal-, Rektum-, Nasenschleimhaut und Tonsillen * Mäßige Sensitivität und nur für bis 3 Wo p.i. * Fehler durch Coating des Virus mit Ag oder zu wenig Antigene in der Probe. * Elektronenmikroskopie * Aufwendig, teuer, nicht spezifisch * AK-Nachweis * AK-Nachweis Liquor * hoher Titer lässt auf Staupeinfektion schließen * evtl. falsch-pos. wenn Blut-Hirnschranke durch andere Infekte undicht ist * AK-Nachweis Blut * IgG: 4-facher Anstieg über 2-3 Wo weisen auf eine frische Infektion / Impfung hin beweisen aber nicht die klinische Erkrankun * IgM: sind gleich nach dem Infekt da für ca. 3 Monate * Sensitivität niedrig: falsch negativen Ergebnissen durch Immunsuppression bei Staupe * Spezifität niedrig: falsch positive Ergebnisse durch unspezifischen Lymphozyteneinwanderung in das ZNS * keine Unterscheidung zw. Impf- und Feldinfektion * AG-Nachweis: RT-PCR (Goldstandard) * Sensitivität 100%, Spezifität 92% (im Zweifelsfall in 2 Wochen wiederholen) * Proben je nach Symptomatik * Virus in der Akutphase in jedem Sekret und Exkret enthalten * Durchfall: Rektumschleimhautabstrich, Kot * Augenausfluss, Rhinitis: Tonsillen-, Konjunktivaltupfer (Zellmaterial muss dabei sein) * Virämie mit Fieber: Blut (Sensitivität schlechter) * Auch Urin sehr sensitiv bei experimentell infizierten Hunden * ZNS-Symptome: Liquor * bei der rein nervösen Form liegt zu 81% keine Virämie vor - RT-PCR kann meistens trotzdem AG aus dem Blut nachweisen, welche mit Immunhistochemie nicht gefunden werden können * PCR kann nicht zwischen Impf- und Feldinfektion unterscheiden 2-4 Wochen abwarten ===== Therapie ===== **symptomatische Therapie** * Antibiotika gegen sek. bakt. Infekte RT / GIT * keine Antitussiva * Infusionen bei bei DF & Erbrechen * Antikonvulsiva bei Krämpfen * Glukokortikoide können bei der ZNS-Form und chron. Staupe helfen, sind bei akuter Erkrankung kontraindiziert * empirisch: Vitamin B-Komplex, A, E & Selen * spez. Immunglobuline (Stagloban®): Wirksamkeit nicht nachgewiesen **Desinfektion und Quarantäne** * Virus lebt in Sekreten nur 20 min * wird durch die meisten Desinfektionsmittel deaktiviert * Isolation von Hd mit GIT- und RT-Symptomen * Bei reiner ZNS-Symptomatik i. d. R. keine Ausscheidung **Prognose** * Mortalitätsrate ca. 50% - nach Parvovirose die Infektionskrankheit mit der höchsten Mortalitätsrate * ältere immunkompetente, überlebende Tiere haben eine bessere Prognose, können jedoch lebenslang persistent infiziert sein (Uvea, ZNS, lymphoide Organe und Ballen * nervösen Symptomen sind i.d.R. akut-progressiv und meist letal ===== Prophylaxe ===== **Impfung** * Impfung führt zu einer langandauernden Immunität, welche das Stauperisiko auf fast 0 reduziert * Durchimpfungsrate soll hoch sein (Herdenimmunität) * Impfschema mit attenuierte Lebendvakzine * ab 8 Wo * nach 3-4 Wo * nach 1 Jahr BoosterungA * Auffrischungen alle 3 Jahre * Impferkrankungen sehr selten * bei Parvoviroseverdacht nicht gegen Staupe impfen (Staupeencephalitis) * meist trotzdem Feldinfektion vor Impfschutz oder bei unzureichender Grundimmunisierung * Impfdurchbruch möglich bei Immunsuppresion, Infekt vor Impfung, unzureichender Impfung & antigenetische Varianz des Virus * Titer * < 1:20  ungeschützt * 1:20 – 1: 100  unzureichend geschützt * > 1: 100  geschützt * bei hohem Infektionsrisiko können um die maternale Blockade der Impfung zu umgehen auch Masernvakzine eingesetzt werden, welche zu einer heterologen Immunantwort führen ===== Quellen ===== * Taylor SM (2006): Neuromuskuläre Erkrankungen. In: Innere Medizin der Kleintiere, Hrsg Nelson RW & Couto CG, Elsevier, München: 1021-1150 * Elia G, Decaro N, Martella V, Cirone F, Lucente MS, Lorusso E, Di Trani L, Buonavoglia C.J (2006) Detection of canine distemper virus in dogs by real-time RT-PCR. Virol Methods. 136:171-176 * Jaggy A (2005): Atlas und Lehrbuch der Kleintierneurologie. Schlütersche, Hannover. * Sehata G, Sato H, Ito T, Imaizumi Y, Noro T, Oishi (2015) Use of quantitative real-time RT-PCR to investigate the correlation between viremia and viral shedding of canine distemper virus, and infection outcomes in experimentally infected dogs. E,J Vet Med Sci. 77: 851-5 * Hartmann K (2010): Rule-Outs für die Kleintiermedizin – Problemorientierte Aufarbeitung von internistischen Befunden. Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hannover. * Lazzerini K (2014): Untersuchung von Hunden mit Meningitis und Meningoenzephalitis unbekannter Genese auf Vektor-übertragene Mikroorganismen. Dissertation, Freie Universität Berlin * Moritz A, Baumgärtner W, Frisk AL, König M (2003): Sensitivität und Spezifität der CDV-RT-PCR zur Diagnose der kaninen Staupe. Tierärztl Prax 31: 60-66. * Beinecke A, Puff C, Seehusen F, Baumgärtner W (2009): Pathogenesis and immunopathology of systemic and nervous canine distemper. Veterinary Immunology and Immunopathology 127: 1-18. * Idexx (2010): Diagnostic update: Infektiöse Atemwegserkrankungen beim Hund – Das canine Staupevirus und andere Erreger. [[http://www.idexx.eu|www.idexx.eu]], Download am 14.06.2017. * Idexx (2007): Diagnostic update: PCR bei IDEXX VetMedLabor. [[http://www.idexx.eu|www.idexx.eu]], Download am 14.06.2017. * Kubo T, Kagawa Y, Taniyama H, Hasegawa A (2007): Distribution of inclusion bodies in tissues from 100 dogs infected with canine distemper virus. J Vet Med Sci 69(5): 527-529. * Martella V, Elia G, Buonavoglia C (2008): Canine Distemper Virus. Vet Clin Small Anim 38: 787-797. * Suter PF, Kohn B, Schwarz G (2012): Praktikum der Hundeklinik, 11. Auflage, Enke, Stuttgart.