====== Epilepsie Hund ======
Epilepsie = chronisch, wiederholt auftretend
===== Epidemologie =====
* primäre Epilepsie (idiopathische Epilepsie)
* Alter
* erster Anfall zw. 2-4 Jahre (wenn < 6 Jahre … zu 80-90% idiopathische Epilepsie)
* Rasseprädispositionen: familiäre Epilepsie
* Collies, Belgische Schäfer, Aussis, Border Collies
* erster Anfall < 1J, ÜZ ca 2 J, Welpen oft sehr schwer einzustellen
* sekundäre Epilepsie (eher ältere Tiere: > 6 Jahre)
* strukturelle Epilepsie: morphologische Veränderung im Gehirn
* reaktive Epilepsie
===== Ursachen =====
* V
* Polycythämia vera (Hkt > 68%)
* Infarkt
* Hypertesion, Hirnblutung
* E
* Viren
* Bakterien
* Protozoen: Toxoplasmose, Neosporose
* Parasiten: Lungenwürmer, Angiostrongylus (Hirnblutungen, Migration)
* SRMA
* MUO: NME (Pug-Dog-Enzephalitis), GME
* limbische Enzephalitis (Hippokampusnekrose)
* T: SHT, Narbe
* A: Hydrocephalus
* M
* Lebershunt
* Hypoglykämie
* Elektrolytimbalancen: Na, Ca
* Hyperlipidämie (Viskosität)
* Hypothyreose
* urämische Encephalopathie (nur wenn Harnstoff schnell ansteigt)
* I: idiopathische Epilepsie → primäre Epilepsie
* gutartige Junghundepilepsie (Lagotto Romagnoto)
* Kryptogene Epilepsie
* unbekannte Ursache und älter als 7 Jahre
* meist keine komplette Anfallsfreiheit möglich
* ca. 50% der Hunde
* Imbalancen zw. inhibitorischen und exzitatorischen Neurotransmittern im Großhirn - wahrscheinlich genetische Ursache
* N: Primärtumor, Metastasen
* D: Speicherkrankheiten
===== Symptome =====
* idiopathische Epilepsie
* erster Anfall vor dem 6. LJ
* neurologisch sonst unauffällig
* meist generalisierte Anfälle
* Anfallsablauf idiopathische Epilepsie: 4 Phasen auf - sonst evtl. andere DD
* Prodromalphase: 0,5-24 Std vor einem Anfall Unruhe, Verhaltensänderung
* Aura: unmittelbar vor Anfall
* Ikturs = Anfall (Dauer meist 1-3 Minuten)
* Postiktale Phase (Dauer Minuten bis Tage): Desorientiertheit, Polyphagie, neurolog. Ausfälle
* Anfallstyp
* generalisierter Anfall: Bewusstseinsverlust, tonisch-klonische Krämpfe, Speicheln, Urinabsatz, Dauer 1-3 min, postiktale Phase
* Status epilepticus: Anfall länger als 5 min / Serienanfälle (mehrere innerhalb von 24 Std.) ohne normale Bewussseinslage
* Clusteranfälle: mehr als ein Anfall in 24 Std
* fokaler Anfall (häufiger bei Ktz)
* Unruhe, Tremor, Gesichtszuckungen, Mydriasis, Angst, Aggression, Speicheln, Fliegenschnappen
* limbische Enzephalitis (Hippokampusnekrose): orofaziale Anfälle (fokale Anfälle im Kopfbereich), Speicheln, Mydriase
===== Diagnose =====
* Blut
* Hkt: Polyzythämie
* Leberwerte, BIL, NH3, CREA, BUN, Gluc, Cholesterin, Triglyceride
* Ca++ , K+ , Na+
* T4 (Ktz)
* evtl. Gerinnung (ZNS-Blutungen)
* evtl. Leberfunktionstest
* Blutdruck messen
* CT, MR und Liquoranalyse
* Neurologische Untersuchung
* Bewusstsein, Körperhaltung, Gang, Haltungs- u. Stellreaktionen, spinale Reflexe bei primärer Epilepsie normal
* Hirnnerven
* reduzierte Drohreaktion eines Auges (Drohreaktion soll zumindest am Tag nach einem epileptischen Anfall wieder normal sein)
* Nasenscheidewandtest bei Ktz sensitiv für Großhirnerkrankungen
* seitenbetonte Defizite der Haltungs und Stellreaktion geben Heinweis auf eine intrakranielle Ursache
* Infektiöse Ursachen ausschließen
* Neospora, E. cuniculi, Toxoplasmen, Antiostrongylus
* Staupe
===== Differentialdiagnosen =====
* episodischer Kollaps
* Schmerzen (HWS, BSV, …)
* kardiale Synkope
* akute Blutung
* Narkolepsie
* Vestibularsyndrom
* Exercise-induced collapse beim Labrador-Retriver
===== Therapie =====
==== Therapie Status epilepticus ====
kontinuierlicher Anfall ohne Wiedererlangung vom Bewusstsein → Lebensgefahr
- Stufe (ersten 30 min): Krämpfe lösen
* Diazepam / Midazolam 0,5-1 mg/kg i.v., rektal, nasal
* kann 2-3x wiederholt werden - wenn es keine Wirkung zeigt nicht öfter geben, da sonst toxische Effekte auftreten können
* CAVE: kein Ketamin → zentral erregend und krampffördernd
* Hypoglykämie: 1 ml/kg 50% Glu langsam i.v.
* Hypocalzämie: 1 ml/kg 10% Ca-Gluconat unter EKG-Kontrolle
- Stufe (30 min-2 Std): Boli mit Antiepileptikern
* Pentobarbital 2-15 mg/kg i.v. (wirkt sofort - langsam bis zum Wirkungseintritt geben)
* Phenobarbital 5 mg/kg i.v. / i.m. bis 4 mal alle 30 min (Ktz 3 mg/kg) \\ erst nach 30 Min angeflutet
* CAVE: kann zwar wiederholt werden, aber es kommt zu Kumulation → schlafen Tage, Herz-Kreislaufdepression → Pulsoxy anhängen und evtl. Beatmen
* Propofol 2-8 mg/kg/h à bei Leberpatienten, wenig hypotensiv
- Stufe (2 Std-12 Std): DTI m. Antiepileptikern
* Propofol-DTI 6-30 mg/kg/h
* Pentobarbital 1-5 mg/kg/h
* Phenobarbital 5 mg/kg/h
* Diazepam 0,5-2 mg/kg/h
* Midazolam 0,1-0,2 mg/kg/h
* Acepromazin
* ist eigentlich kontraindiziert weil Epilepsieschwelle herabgesetzt
* Tobias et. al (2006)
* 11 Hd mit Anfällen → 8 hatten für 1,5-8 Std keine Anfälle und 2 keine Anfälle mehr danach
* 25 Hd hatten nach Gabe für 16 Std. keine Anfälle
- Monitoring
* A … Atemwege freihalten
* B … Intubation wenn nötig (wenn pO2 <90% z.B. Atemdepression durch Phenobarbital; Atemgeräusch durch Aspiration)
* C … Infusion à Blutdruck soll > 90 mmHG bleiben à Kristalloide (2 ml/kg/h Erhaltung) bzw. Kolloide bei Blutdruckabfall
* IKT … Kühlen mit feuchtem Handtuch, Infusion, Scheren (nicht mit Eis)
* bei 40°C nicht weiter kühlen à kühlen nach
* alle 4 Std wenden
* Harnproduktion kontrollieren: ausmassieren / Katheter
- Ausschleichen der DTI
* nach 24 Std Dosis alle 4 Std um 25% reduzieren
* Umstellung auf p.o. Therapie
* Phenobarbital 3-5 mg/kg 2-3x tägl.
* Gabapentin 20 mg/kg 3-4x tägl. für 2-3 Tage
- Anfälle beim Aufwachen: Levetiracetam 30-60 mg/kg
==== Dauertherapie idiopathische Epilepsie Hund ====
* Ziel
* erstes Ziel: Anfallsfreiheit
* zweites Ziel: weniger als 1-2 Anfälle im halben Jahr
* drittes Ziel: keinen Status epilepticus
* Pheonbarbital
* erste Wahl bei Clusteranfällen und häufigen Anfällen
* Initiale Gabe: 2,5 mg/kg bid p.o. (Dosierungsbereich 2-5 mg/kg bid)
* Phenobarbital-Wirkspiegel
* Hund 20-35 µg/ml, Ktz & Collies 15-35 µg/ml
* Kontrolle: 4 Std nach Eingabe und frühestens 2 Wochen nach Therapiebeginn (Steady state nach10-20 Tagen)
* Wenn noch Anfälle auftreten:
* < 30 µg/ml → Dosis ↑
* 30-35 µg/ml → + KBr
* > 35 µg/ml → + KBr und Phenobarbital reduzieren bis 30-35 µg/ml
* > 40 µg/ml → sind schlecht für die Leber
* bei schwer behandelbarer Epilepsie und Unsicherheit ob Wirkung zu kurz
* 4 Std vor und 4 Std nach Tbl-Gabe messen → wenn Unterschied sehr hoch → tid
* Nachkontrollen: Phenobarbitalspiegel + Leberwerte
* 2 Wo nach Dosisänderung "Steady state" erreicht –> Erstkontrolle
* alle 3 Mo so langen noch Anfälle auftreten
* alle 6-12 Mo bei gut eingestellten Patienten
* wenn Leberwerte erhöht → Leberfunktionstest: wenn normal nicht absetzten
* Nebenwirkungen
* in den ersten 14 Tagen: Sedierung, Schwäche, Zehenschleifen Unruhe, PU/PD, Polyphagie
* meist reversibel
* langfristig: Polyphagie, Gewichtszunahme, Ataxie, erhöhte Leberwerte (ALT, AP) durch gutartige Enzyminduktion, Hepatotoxizität meist nur bei Überdosierung, schwere Pankreatitits machmal Grund für Eutha
* autoimmune Thrombozytopenie, Neutropenie, Anämie → sofort Absetzen
* Verlauf
* Therapie normal lebenslang notwendig
* Ausschleichen: alle 3 Wo um 25% reduzieren – sonst Anfälle provoziert; bei der Ktz erst nach einem Jahr Anfallsfreiheit ausschleichen
* Die Anfälle unter Kontrolle zu bringen kann Wochen dauern und wiederholte Serumspiegelbestimmung erfordern. Erst nach 6-12 Mo Anfallsfreiheit darf die Dosis eines wirksamen Medis langsam reduziert werden (Provokation eines Status epileptikus)
* ca. 30% der Hunde sind therapieresistent auf Phenobarbital
* Alternativen zu Phenobarbital
* Impitoin (Pexion®)
* bei einzelnen, fokalen Anfällen oder in Kombi mit Pheno
* 10-20 mg bid als Mono oder Kombi mit Phenobarbital
* erste Wahl auf der Uni – Praktiker nicht zufrieden
* wirkt nicht gut bei Clusteranfällen, mehreren Anfällen (mehr in 2 Wo)
* Kontrolle nicht unbedingt erforderlich, dennoch jährlich BB und Nierenwerte empfohlen
* KBr
* 30-40 mg/kg/d p.o. in Kombi mit Phenobarbital
* 50 mg/kg/d als Monotherapie bei Hepatotoxizität von Phänobarbital
* 3 Mo nach Dosisänderung "Steady state" erreicht –> Erstkontrolle
* Wirkspiegelkontrolle: theraeutischer Bereich 1,5 - 2,5 mg/ml
* Levitiracetam
* 10 mg/kg tid
* Phenobarbital baut Levi schneller ab → oft Dosisreduktion nötig
* mit der Zeit Toleranzentwicklung
* Pregabalin
* 2-4 mg/kg bid/tid
* Gabapentin
* 20 mg/kg tid
* Zonisamid
* 5-10 mg/kg bid
* Kontrolle Leberwerte nach 2-3 Wo
* Felbamat
* 15-60 mg/kg
* Kontrolle BB und Leberwerte
* Topiramat
* 5-10 mg bid/tid
* Diazepam
* 0,5 mg/kg mehrmals täglich, hält jedoch nur kurz
==== Notfall Heimtherapie ====
* Diazepam Rektaltuben
* 1mg/10kg
* Wiederholung 2x möglich
* Dosisanpassung
* Phenobarbital oder KBr um 25% erhöhen
* kleine Ladedosis um schnellere Wirkung zu erreichen
* Phenobarbital einmalig 5 mg/kg
* KBr einmalig 120 mg/kg
* Levitiracetam-Pulstherapie bei schweren Anfällen daheim
* 20-30 mg/kg tid bis 24 Stunden anfallsfrei
* wenn bereits unter Levitiracetam, Dosiserhöhung auf 30-40 mg/kg
===== Prognose =====
* primäre Epilepsie
* Remission
* Hund: < 15% mit/ohne Therapie
* Montotherapie: 60-70% erfolgreich
* Kombinationstherapie: 10-20% erfolgreich
* 10-30% schwer behandelbar
* bei Therapieerfolg mit alternativen Medis zu Phenobarbital oder Impitoin hohes Risiko für Rezidive
* besser nicht reduzieren, da oft Rückfälle auftreten, welche schwer behandelbar sind
===== Quellen =====
* Flegel T (2014): Therapie der Epilepsie beim Hund. Kleintier konkret 17(2): 21-29.
* Bhatti S et al. (2016): Epilepsie aktuell – Zusammenfassung der IVETF-Empfehlungen zum „Therapeutischen Management der kaninen Epilepsie in Europa“ . Kleintierpraxis 61, Heft 10 (2016), Seiten 529–544.
* Tipold A et al. (2015): Die Epilepsie des Hundes. Kleintierpraxis 60(4): 198-214.