====== Diabetes Mellitus (DM) ====== ===== Epidemiologie ===== * Hund: Prävalenz 0,3-0,6% (häufigste Endokrinopathie) * Hündinnen doppelt so oft betroffen wie Rüden (Frühkastration hat zu einer Abnahme der Häufigkeit geführt) * Alter: 7-11 LJ * Katze: zweithäufigste Endokrinopathie bei der Katze * zu 70% Kater betroffen * Prädisposition * Adipositas * Inaktivität * Dauerhafte GKK- / P4-Gabe * Burmakatze ===== Ursache ===== * Typ-1-Diabetes: absoluter Insulinmangel durch T-Zell-vermittelte Zerstörung der ß-Zellen * kennzeichnend sind AK gegen verschiedene Komponenten der β-Zellen * Hd fast immer Typ-1-DM * lebenslange Therapie * Ursache: multifaktoriell (genetisch, infektiös, toxisch, entzündlich, endokrin) * Typ-2-Diabetes: relatiger Insulinmangel durch Insulinresistenz (Muskulatur, Fett, Leber) und Dysfunktion der β-Zellen * Ursache * ausgeprägte genetische Komponente * Adipositas (ständig hoher Zuckerspiegel) und hohe Glucosewerte * Inaktivität * Medikamente * Ktz meist (80%) Typ-2-Diabetes * bei 25-50% der Katzen bei rechtzeitiger Therapie eine Remission möglich * Typ-3-Diabetes: andere spezifische Diabetes-Typen * Infolge von Erkrankungen * Pankreatitis & Pankreasneoplasie * Akromegalie (Prävalenz bei Ktz bis 22%) * Cushing-Syndrom * Hyperthyreose * Iatrogen: GKK, P4 * Typ-4-Diabetes (Gestationsdiabetes) * in der Schwangerschaft bestehende Glukoseintoleranz * Diöstrus-assoziierte Diabetes bei unkastrierten Hündinnen * Anstieg P4 während Diöstrus → Bildung von Wachstumshormon im Mammagewebe → diabetogenen Wirkung * Bei unkastierten Hündinnen Diöstrus-assoziierter Diabetes möglich ===== Pathogenese ===== - chronische Hyperglykämie → Glukotoxizität bzw. Lipotoxizität - reversible Unterdrückung der Insulin-Sekretion - irreversiblen Schädigung der ß-Zellen - absoluter / relativer Insulinmangel - Gluc kann nicht in Zellen aufgenommen werden → verarmen deshalb an Energie - Anstieg der Glukagon-Konzentration → vermehrte Glykogenolyse und Glukoneogenese → Hyperglykämie - PU/PD wenn Blutzucker Schwellenwert übersteigt (Hund 180 bis 220 mg/dl) - Zellen vom Sättigungszentrum können Gluc auch nicht aufnehmen → Hunger trotz Hperglykämie - Proteinstoffwechsel: Aminosäuren werden weniger in Proteine eingebaut → kataboler Zustand trotz Polyphagie - Mobilisation der Fettsäuren → Ketonsäuren → Ketoazidose ===== Symtome ===== * 4 Leitsymptome * Polyurie * Polydipsie * Polyphagie * Abmagerung * Weitere Symptome * Diabetischer Katarakt * Hd: 50% entwickeln innerhalb der ersten 6 Mo, 80% nach 16 Mo nach Diagnosestellung einen Katarakt * regelmäßige Augenkontrolle wegen Gefahr einer Linseninduzierten Uveitis (Risiko einer Kapselruptur besonders bei schnellem Voranschreiten des Kataraktes höher) * auch Ktz entwickeln einen Katarakt, der aber nicht so schwer ist und das Sehvermögen meist nicht beeinträchtigt * Diabetische Neuropathie bei der Ktz * ca. 10% der diabetischen Katzen * Schwäche der HE bis plantigrade Fußung der Hinterextremität * Diabetische Ketoazidose * Apathie, Anorexie, Erbrechen, Austrockunung * Nachweis der Ketonkörper im Blut / Harn * stumpfes Haarkleid * Lethargie bei Ktz ===== Diagnose ===== * Hyperglykämie mit Glukosurie * Glukosurie wenn Nierenschwelle überschritten / Schädigung der prox. Nierentubuli * Nierenschwelle Hund 180 mg/dl (keine relevante Stresshyperglykämie à somit sind Werte über 180 mg/dl diagnostisch) * Nierenschwelle Katze 270 mg/dl (Stresshyperglykämie kaum über 280 mg/dl möglich à 280 sehr verdächtig für D.m.) * Fructosamin (gibt Glucosespiegel v. 2 Wo wieder). * v.a. bei der Ktz zum Ausschluss einer Stresshyperglykämie (evtl. Werte bis 270 mg/dl möglich) und für die Langzeiteinstellung * Fructosamin bei Diagnose gewöhnlich über 400 µmol/l * gleichzeitig bestehende Hyperthyreose oder Hypoproteinämie kann zu falsch niedrigen Fructosamine-Konzentrationen führen * Ursächlich Erkrankungen suchen * Pankreatitis (fPLI, cPLI) * Diöstrus * M. cushing * Akromegalie * diabetogene Medis * Harnuntersuchung: BU * Diabetische Ketoazidose * Acetoacetat (Harnteststreifen): pos. bei Katze mit Hyperglykämie hochverdächtig für D.m. * ß-Hydroxybuttersäure: kranke Katzen ohne D.m. selten über 0.58 mmol/l! * Begleiterkrankungen (Stomatitis, Harnwegsinfekte * Ketonurie bei bis zu 66% der Hd mit unkompliziertem D.m. * Lungenröngten + Abdomenschall ===== Therapie ===== * Meist kann innerhalb von 2-3 Mo eine akzeptable Einstellung erreicht werden * Hündinnen kastrieren und zur Überbrückung Alizin geben (v.a. wenn DM im Diöstrus auftritt) * die meisten Hündinnen brauchen trotzdem Insulin bis Insulinresistenz weg geht * Bewegung: senkt die Insulinresistenz: Fressen → Spazieren → Insulin spritzen * Abnehmen bei Adipositas * Ernährung * langsame Umstellung * 2x täglich Füttern * Füttern eine halbe Stunde vor Insulingabe * Dicke Tiere: hoher Eiweiß- und Rohfasergehalt, langsam abbaubare Kohlehydrate, eher kohlehydratarm, zwischen den Mahlzeiten nur Salatgurke * Dünne Tiere: normales Futter * Katze: Proteinreich, kohlehydratarm, Nassfutter * Diabetogene Medis absetzten und Begleiterkrankungen behandeln. * Insulingabe 2 x täglich * Startdosis * Katze * Lantus / (Caninsulin) 0,25 I.E./kg (Idealgewicht) bid * max 2. IE / Ktz * kein Spritz-Ess-Abstand notwendig * bei Ketonämie plus 0,5 I.E./Katze * Hund * Caninsulin 0,25 I.E./kg (Idealgewicht) bid * zu den Mahlzeiten * Einstellung * Hund * Messung 4 Std. nach Caninsulin - tiefster Gluc-Wert * 4 Tage nach Therapiebeginn Gluc messen * > 250 mg/dl: + 10% * < 60 mg/dl: - 10% * weitere Kontrollen alle 2 Wo * monatlich Glucose-Tageskurve - später alle 2-4 Mo * Nadir sollte zw. 90-140 mg/dl sein * Fructosamin * < 300 deutet auf längere Perioden mit Unterzucker hin * 350-400 deutet auf eine gute Einstellung hin * > 500: schlechte Einstellung * Katze * Messung * nach 6h (Lantus®, Levemir®) * Blutglukosetagesprofil (Caninsulin®): Glucosespiegel fällt anfangs stark ab und erreicht nach wenigen Stunden wieder den Ausgangswert → eine einmalige Messung am Abend kann zur Fehldiagnose Insulinresistenz führen * Messungen: Tag 1, 4, dann alle 3-4 Tage * Heimmonitoring für Ktz viel besser: eher Futteraufnahme, häufigere Messung (Symogy-Phänomen) * Dosisanpassung richtet sich nach Nadir - Dosiserhöhung um max. 0.5 IE/Injektion * Katze erbricht oder frisst nicht * ​​erster Tag: Dosisreduktion um 50% * nochmal am nächsten Tag: Ketoacidose möglich * Hoher Insulinbedarf ab 3 I.E. - Insulinresistenz ab 1 I.E/kg/Injektion * Ziel * Gluc soll zw. 90 – 270 mg/dl sein – da geht’s den meisten sehr gut * Fructosamin: 350 – 450 µmol/l * Klinische Symptome sollten verschwinden * Narkosen: davor sogar füttern + halbe Dosis Insulin ===== Komplikationen ===== * Somogyi-Phänomän * beim Auftreten von Unterzucker bei Therapie kommt es zu einer hormonellen Gegensteuerung des Körpers, wobei die Hormone Glucagon, Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol und Wachstumshormone ausgeschüttet werden → mehrere Tage dauernden Insulinresistenz * da die Hypoglykämiephasen kurz sind und die Hyperglykämien lange sind, ist auch der Fructosaminspiegel hoch * die Insulinüberdosierung kann beim Somogyi-Phänomän fast nur durch eine Dosisreduktion von >50% in Kombi mit Heimmonitoring erkannt werden (oder Beginn mit der Startdosis). * Diabetische Ketoacidose * Bei Ketose kein Bicarbonat geben, da ß-Hydroxybutyrat zu Bicarbonat abgebaut wird * DTI * Hypoglykämie * Ursachen: Nahrungskarenz, Malassimilation, Sepsis, Tumor, Hypoglykämie der Jagdhunde, Leberinsuffizienz, Insulinom, Nebenniereninsuffizienz, paraneoplast. Syndrom * Symptome: Zittern, Erbrechen, Schwäche, Koma, Krämpfe * Therapie: bei Erbrechen, vermindertem Appetit die Dosis um die Hälfte reduzieren. Insulin erst bei drastischem Unterzucker absetzten (30-45 mg/dl) * Insulinresistenz * Glucose > 300 trotz Insulingabe von 1 IE/kg, Symptome trotz 1,5 IE/kg * wenn Symptome erst mit >2,2 IE/kg verschwinden muss nach Urachen gesucht werden →häufig Infekte, Entzündungen, Pankreatitis, Leberprobleme, Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz, Glukokortikoide, P4, Medis, Läufigkeit, Tumore, Adipositas, Managementfehler * Katarakt: entwickelt im Laufe der Zeit fast jeder Diabetiker ===== Prognose ===== * Vorsichtig bis günstig * Diabetische Remission: viele Ktz werden wieder gesund – wichtig ist, dass der D.m. innerhalb der ersten 6 Monate behandelt wird ===== Quellen ===== * MSD Animal Health (2018): Fokus Endokrinologie. Download: [[http://www.vet-endokrinologie.de/|http://www.vet-endokrinologie.de/]] am 08.04.2018.